Viele sind getrieben von der Idee, dass man Dinge vollends digitalisieren kann, verschlanken kann, skalieren kann, die Arbeit macht die Digitalisierung selbst, kaum noch jemand will mehr für den Kunden arbeiten, alle wollen lieber konsumieren … Ein Versicherungskunde, der jetzt mit dem Chatbot kommunizieren muss, statt mit einem kompetenten Menschen zu telefonieren.
Letzte Woche wurde ein Schadensfall durch die Württembergische Versicherung auf dem Kulanzwege reguliert. Die Kundenkommunikation dieser eingeführten Versicherung (Platz 14 in Deutschland) erfolgt über ein gutes Netz von Generalagenturen vor Ort. Der jeweilige Agent berät und unterstützt und vertritt dabei auch die Interessen des Versicherten gegenüber der Zentrale. Das System ist wirklich gut und hat sich seit fast 200 Jahren bewährt. Es basiert auf Vertrauen des Kunden in seinen Agenten vor Ort.
Vor ein paar Jahren hat man natürlich auch bei dieser Versicherung über neue Vertriebskanäle nachgedacht, insbesondere um junge, neue und internetaffine Zielgruppen zu erreichen. Die Adam Riese GmbH wurde gegründet. In einschlägigen Portalen wird die Preis-Leistung mit 9,4 bewertet – der Service dagegen mit 7,4. Die Gesamtnote liegt bei 7,8. In der Praxis bedeutet dies, dass nur 55 Prozent aller Kunden hier nochmal einkaufen würden.
Ein Kundenkommentar sticht mir sofort ins Auge: Adam Riese Versicherung! Leider eine sehr unseriöse Versicherung, der es offensichtlich nur darum geht Beiträge zu kassieren aber im Schadensfall die Segel zu streichen.
Was ist hier schiefgelaufen? Die mit günstigen Tarifen geköderte Kunden generieren natürlich im Laufe der Jahre auch Schadensfälle die abgewickelt werden müssen. Der Internetkunde wendet sich also direkt an seine Versicherung. Die Bearbeitung der Fälle bindet natürlich die Ressourcen der Sachbearbeiter und Versicherungsfachleute. Wie so oft wurde der Bestand an Mitarbeitern schon in den Jahren zuvor optimiert und ausgedünnt. Vom Innendienst, der bis dahin hauptsächlich die Generalagenturen betreute, wurden weitere Mitarbeiter an die neue Internetfront versetzt. Folglich verlieren die Agenten vor Ort Ihren Vorteil einer schnellen Bearbeitung, denn sie müssen sich jetzt ebenfalls intern hinten anstellen. Die langjährigen Stammkunden sind zu Recht verärgert, da ja mit ihrem Geld auch die preiswertere Onlineversion finanziert wurde. Wichtig dabei, ein guter Agent vor Ort, kann seinen Stammkunden so clever durch den Tarifdschungel führen, dass der Preisvorteil der Internet-Agentur vernachlässigbar bzw. unterboten wird.
Fazit: Vertrauen lässt sich nicht digitalisieren. Es gibt keinen Ersatz für die Begegnungsqualität mit dem Kunden. Nur Begegnung erzeugt Bindung.