Dienstleistung ist niemals perfekt, denn sie wird von Menschen erbracht. Der Wunsch, alles perfekt machen zu wollen, kann auch gehörig in die Hose gehen, wie die folgende Begebenheit illustriert. Die Geschichte zeigt: Man muss auch mal loslassen können.
Schon vor dem Start machte der Kapitän die Ansage, dass wir kurz nach dem Start eine starke Gewitterfront durchfliegen würden und dass aus Sicherheitsgründen auch die Besatzung für einen längeren Zeitraum angeschnallt bleiben müsse.
Wenige Minuten nach dem Abheben, das Flugzeug schwankte kräftig, klingelte ein US-amerikanischer Fluggast in einem strahlend weißen Tropenanzug aus Kunstfaser Sturm. Nach einem längeren Zeitraum stand eine junge und noch unerfahrene Kollegin schließlich auf, ignorierte die Sicherheitsanweisung und hangelte sich zum Ledersessel des ungeduldigen Fluggastes. Dieser bestellte unverfroren eine Bloody Mary, Wodka mit Tomatensaft. Die Kollegin traute sich nun nicht mehr, dem Gast den Wunsch abzuschlagen, kämpfte sich wieder in die Küche durch, mixte diensteifrig den bestellten Drink und servierte es in der Kabine.
Genau in dem Moment, als sie das Glas überreichen wollte, erwischte eine weitere starke Windböe die Maschine, die mehrere Meter durchsackte. Der Tomatensaft ergoss sich, wie sollte es auch anders sein, auf die weiße Anzughose. Der Amerikaner tobte und brüllte laut auf. Die Kollegin, die ja nur alles recht machen wollte, reagierte leicht panisch. Sie rannte zurück in die Küche, holte ein feuchtes Tuch, kniete dann vor dem Passagier nieder und begann kunstvoll die Saftflecken aus dem Schritt seiner Hose zu reiben.
Eine erfahrene Kollegin hatte nun Mitleid, bremste die junge Kollegin und schlug vor, den Gast auf die Toilette zu schicken. Dort sollte er sich seiner Hose entledigen und diese heraus reichen, so dass man anschließend in Ruhe die Flecken behandeln könnte. Gesagt, getan. Der Gast blieb wutschnaubend in seinen Boxershorts im WC zurück. Die Damen versuchten nun verzweifelt, die Tomatensaftflecken aus der Kunstfaser zu entfernen. Nach einer Weile besahen sie sich ihr Werk und mussten feststellen, dass die Hose nun im Schritt derart nass war, dass man sie unmöglich dem Kunden einfach zurückgeben konnte.
Nun gibt es an Bord eines Jets weder einen Fön noch einen Händetrockner, und der Lösungsansatz „In den Fahrtwind hängen“ scheidet auch aus. Die Kolleginnen dachten kurz nach und entschieden sich dann für einen Umluftofen in der Bordküche. Doch sie vergaßen, die anderen Besatzungsmitglieder über ihren Plan zu informieren. Zwischenzeitlich war das Anschnallverbot aufgehoben, der Mittagsservice begann und eine weitere Kollegin heizte ahnungslos alle Öfen für das Roastbeef vor. Nach kurzer Zeit öffneten die beiden anderen ihren Ofen. Die Hose hatte inzwischen nur noch Bonsai-Format. Also begaben sie sich wieder zur Toilette und mussten dem cholerischen Gast berichten, dass die Hose nun völlig hinüber sei. Der Gast weigerte sich verständlicherweise, ohne Beinkleid durch die First Class zu spazieren und wieder seinen Sitzplatz einzunehmen. Daraufhin wickelte man ihm eine graue Borddecke um seine beleibten Hüften. Unter der Decke schauten dann aber seine Stachelbeerbeine, und als kräftiger Farbkontrast, die braunen Texasstiefel hervor.
Man braucht keine große Phantasie, um sich die Stimmung des Fluggastes vorzustellen. Nach der Landung in New York gingen alle Passagiere von Bord, bis auf den hosenlosen Bloody Mary-Geschädigten. Der weigerte sich nämlich auszusteigen und wollte keinesfalls in diesem Aufzug an den argusäugigen Beamten von Zoll und Einreisebehörde vorbeimarschieren. Was machten wir? Wir bestellten dem Gast einen Rollstuhl – und eine Vorfeldgenehmigung. Dann wurde der Mann aufs Vorfeld gerollt und identifizierte seinen Koffer beim Ausladevorgang. Anschließend brachte man ihn wieder ins Flugzeug. Dort zog er sich dann um und verließ die Maschine mit anderthalb Stunden Verspätung.
Gut vorstellbar, dass der Mann nach seinem Erlebnis nie wieder mit dieser Fluggesellschaft geflogen ist. Und das, obwohl alle Beteiligten in der gesamten Dienstleistungskette ihr Bestes gegeben hatten. Aber die Dinge waren nun mal im Wortsinne, in die Hose gegangen.